Alle guten Dinge sind drei. Nur aufgrund einer Verletzung bewahrheitete sich diese Binsenweisheit im Hinblick auf Teilnahmen an der belgischen Veranstaltungsserie für Jedermänner. Eigentlich hatte ich mich auch für Landen – Trois Point – Landen angemeldet, war aber leider nicht fit. Nach einem schönen Sommerurlaub hatte ich endlich wieder langsam die Form, um an eine Ausfahrt jenseits der 100km zu denken und so beschloss ich, die mittlere Distanz von 112km und 1600Hm zu nutzen, um mich selber zu testen. Mitte August brach ich nach Angleur, einem Vorort von Lüttich, auf. Die Autobahn führte mich an der Maas entlang, bot einen Blick auf das Stadion von Standard Lüttich und die Überbleibsel der abgewirtschafteten Stahlindustrie. Der Start befand sich an einem großen Sportzentrum und bot die üblichen gut organisierten Strukturen. Ich registrierte mich, nahm die Startnummer entgegen und rollte mit einigen anderen los. Zunächst ging die Strecke kurz bergauf, um sich dann direkt einige Kilometer hinabzustürzen. Diese Abfahrt sorgte unmittelbar für Selektion und die gewählten Geschwindigkeiten unterschieden sich immens. Wie immer um meine Sicherheit besorgt, ließ ich es, auch mangels Ortskenntnis, erst mal ruhiger angehen und hängte mich an ein Paar meiner Altersgruppe. Kaum einigermaßen in Tritt gekommen erreichten wir Esnaux im Süden von Lüttich und nach eben mal 12km ging es schon den ersten Anstieg hinauf. Die Cote des Dolembreux erstreckt sich über knapp vier Kilometer Länge und  hat eine maximale Steigung von 7%. Diese Strecke reichte, um das ohnehin kleine Fahrerfeld, das sich gebildet hatte zu zerreißen. So sollte sich auch der Rest des Tages entwickeln. Das permanente Auf und Ab durch die Ardennen südlich von Lüttich stellte jeden vor seine eigenen Grenzen. Gefühlt alle zehn Kilometer ging es einen mehrere Kilometer steilen Anstieg hinauf. Wohlklingende Namen wie Cote de Chambralle oder Cote de Saint-Roch bedeuteten kochende Oberschenkel, keuchenden Atem und starre Blicke auf den Gesichtern meiner Mitstreiter.

Kurz vor der ersten Verpflegungsstelle mitten in einem der unzähligen Anstiege setzte ein leichter Sprühregen ein und die kurze Pause tat zunächst nicht wirklich gut. Schwer wie Blei fühlten sich meine Beine trotz der Nahrungszufuhr an. Tatsächlich hörte ich auch das kleine Teufelchen flüstern: „Nimm die kurze Strecke, Du musst niemandem etwas beweisen.“ Glücklicherweise dauerte es nicht lange und die Beine begannen wieder sich lockerer zu fühlen und so ignorierte ich die Streckentrennung und folgte den Pfeilen der geplanten Route. Vorbei an wunderschönen Bauernhöfen mit regionaltypischen Sandsteinfassaden und unglaublich hoch gewachsenen Stockrosen aber auch engen Straßen mit ungepflegten vom wirtschaftlichen Niedergang gezeichneten Reihenhäusern ging es über verschiedene Rampen wieder Richtung Angleur. Nachdem es irgendwann auch mal auf neu asphaltierten und leicht abschüssigen Terrain begann so richtig Spaß zu machen und ich einige Fahrer in meinem Windschatten versammelt hatte, ging es plötzlich scharf links die Cote de Strivay steil hinauf. Die 15% im steilsten Stück sogen noch mal letzte Reserven aus meinen Beiden, so dass der kurz darauf folgende Schlussanstieg zum Ziel mir ewig vorkam. Als ich dann aber bei einem leckeren Jupiler Bier auf eine Bierzeltbank saß und den anderen Sportlern zusah, von denen einige mir anerkennend zunickten machte sich wieder dieses Glücksgefühl in mir breit, dass nur Sport zu erzeugen vermag. Nach einer ausgiebigen warmen Dusche in einer benachbarten Sporthalle rundete ich den Ausflug mit einer Stippvisite in Brüssel ab. Anlässlich des Grand Départ gab es in der Brüsseler Autowelt eine Ausstellung zur Geschichte des Radsports. Die vielen Exponate weckten meine ungeteilte, wenn auch leicht dehydrierte Aufmerksamkeit. Weder das Siegfahrrad des ersten Vainquer de Paris-Brest-Paris, noch eine Vielzahl gelber Trikots und vieles mehr fehlten. Müde und glücklich kehrte ich abends nach Hause zurück.