Nach Wochen des Regens und des grauen Himmels, konnte die Wettervorhersage für das Opening Weekend der Frühjahrsklassiker 2022 nicht günstiger sein, auch wenn es nachts noch fror. Kaiserwetter erwartete uns beim ersten Ausflug ins Mutterland des Radsports im Jahr 2022. Auf Empfehlung hatten wir uns für die Jedermann Ausgabe des Halbklassikers Kuurne Brüssel Kuurne angemeldet. Eigentlich ist der Name Etikettenschwindel, denn selbst die Strecke des Profirennens erreicht nicht mal annähernd den Großraum Brüssel. Die Streckenführung verläuft von Kuurne, einem eher unscheinbaren Ort in der Nähe von Kortrijk, also schon eher Richtung Lille, denn Antwerpen, nach Osten entlang der flämisch-wallonischen Grenze und hält viele der klassischen Hellingen bereit. Die längste Jedermann Route bot mit 120 km einen moderaten Ritt. Neben eigenen Aktivitäten fanden an diesem das Wochenenden der Omloop het Nieuwsblad und eben Kuurne Brüssel Kuurne statt, die es zu bewundern galt.
Nach einer von den üblichen Staus an den belgischen Nadelöhren Antwerpen und Gent geprägten Anreise, erreichten wir La Houppe zum Abendessen. Zu standesgemäßem Entrecote Frites und Kwaremont feierten wir das Wiedersehen mit unseren belgischen Freunden, zu denen sich auch noch überraschender Besuch aus Frankreich gesellte. Es gab viel zu Fachsimpeln über die anstehenden Profirennen, das Eroica Rad aus den Zwanzigern eines weiteren Gastes, das bereits die legendäre Strade Bianche befahren hatte, und leider auch die aktuellen Themen, die entlastender Weise an diesem Wochenende nur eine untergeordnete Rolle spielte.
Am frühen Samstag morgen gingen wir nach einer halbstündigen Anfahrt mit dem Auto auf die wie immer gut ausgewiesene Strecke, die trotz Minusgraden von Anfang an gut befahren war. Wie an der Perlenkette aufgefädelt wand sich das „Peloton“ durch die von Raureif und Dunst flankierten Asphaltbänder, die sich zwischen den flämischen Feldern hin und her flechten. Viele Hobbyteams waren unterwegs, denen man gut folgen konnte. Nach einem Winter ohne Gruppenausfahrten war es wieder beeindruckend, wie viel Kraft man spart und wie lange man höhere Tempi fahren kann, wenn man im Schwarm unterwegs ist.
Im mittleren Teil der Strecke kurbelten wir diverse Hellingen hinauf, darunter der giftige Taaienberg und die Cote de Trieu. Das abschließende Drittel jagten wir dann im flachen Terrain nach Kuurne zurück. Drei unfassbar fitte Jungs ließen uns am Hinterrad hängen. Meine kurze Versuche, sich an Führungsarbeit zu beteiligen, waren offenbar nicht schnell genug und wurden zügig beendet. Den netten Gesten der Jungs nach Ankunft zu schließen, hat es nicht geschadet.
Schnell musste es dann gehen, zurück nach La Houppe, unter die Dusche und dann ab zum Leberg. Die Stimmung an dem Anstieg glich der Stimmung im Revier, wenn Schalke gegen den BVB spielt. Wir gesellten uns zu anderen Schlachtenbummlern und warteten gespannt auf die Profis, deren Ankunft bereits bald der Hubschrauber ankündigte. Ich bin den Leberg bereits einige male gefahren und war schwer beeindruckt, wie das Peloton die Helling hinaufflog. In solchen Momenten merkt man erst mal, wie gut Profis sind; welche Welten dazwischen liegen. Zurück in La Houppe bewunderten wir bei kaltem Bier am Fernseher den Angriff des belgischen Superstars Wout van Aert, der am Bosberg alle anderen Fahrer abschütteln konnte und sein Palmarès erweiterte. Den Abend ließen wir in Rudy’s Lounge in Geraardsbergen ausklingen.
Den Sonntag nutzten wir zu einer schönen Ausfahrt mit Sebastièn, der uns eine Superstrecke kreiert hatte, die neben einer verkehrsarmen Streckenführung und bekannten Anstiegen, wie dem Tiegenberg am Ende auch zwei heftige Kopfsteinpflasterstraßen in der Nähe von Oudenaarde bereit hielt. Ein gutes Training für die Jedermannronde im April. Den Abschluss dieses grandiosen Wochenendes bildete ein weiteres Spektakel: Die Strecke von Kuurne Brüssel Kuurne verläuft direkt durch La Houppe. Bei einem leckeren Enghien Bier, netten Gesprächen und strahlendem Sonnenschein erwarteten wir das Feld. Die deutsche Klassikerhoffnung, Nils Politt, war leider zu diesem Zeitpunkt abgeschlagen und konnten in den finalen Sprint, den Fabio Jakobson vor Caleb Ewan für sich entschied, nicht mehr eingreifen.
Danach hieß es Abschied nehmen. Welch ein grandioses Wochenende.